05.10.2022

Frauen in Führungspositionen: Und warum die Welt dennoch nicht rosa-rot ist

Befragt man Menschen auf der Straße nach Kinofilmen mit einer weiblichen Hauptrolle, bekommt man einige gute Antworten; Lara Croft, Erin Brockovich, Black Widow – um nur ein paar zu nennen. Wenn man weiter fragt, ob Frauen in Filmen gleichberechtigt sind und es genauso viele Hauptdarstellerinnen wie Hauptdarsteller gibt, wird gezögert, aber meist mit Ja geantwortet. Tatsächlich sind Frauen in diesen Positionen unterrepräsentiert, auch wenn wir nicht das Gefühl haben (Studie 1 und Studie 2).

Ganz ähnlich verhält es sich mit Frauen in Führungspositionen, Frauen als Gründerinnen oder erfolgreiche Unternehmerinnen. In sozialen Medien wird der Eindruck erweckt, Frauen seien in diesen Bereichen ähnlich gut vertreten wie ihre männlichen Pendants. Es gibt unzählige „female business owner / influencer“ oder Netzwerke für Frauen; sei es Delia Lachance (Gründerin von Westwing), Sissi von Hardenberg (Gründerin von The SissBliss), Verena Pausder (Botschafterin Digitale Bildung, Bestseller Autorin, Unternehmerin) oder Netzwerke wie „Frauen verbinden“. Natürlich kann die Liste, wenn auch nicht endlos, weitergeführt werden. Die Logik der sozialen Medien lässt uns glauben, es für Frauen leicht sei, in diese Positionen zu gelangen. Aber stimmt das wirklich?

Leider sind Aufstiegsmöglichkeiten, gleiche Bezahlung oder berufliche Kontakte an zu vielen Stellen für Frauen immer noch schwerer zu realisieren als für Männer. Darüber hinaus hat die Corona Pandemie eine zuvor positive Entwicklung stark verlangsamt. Frauen haben in den zurückliegenden Jahren vermehrt ihre beruflichen Ziele zurückstecken müssen, um der Betreuung der Kinder zu Hause und im Home Schooling nachzukommen. Selbst wenn beide Partner im Homeoffice gearbeitet haben, lag der Hauptanteil der Kinderbetreuung bei den Frauen. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber Studien belegen, dass der Anteil der Frauen in der Kinderbetreuung wieder deutlich zugenommen hat.

 

Das wiederum wirft die Frage nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf. Zum einen bedeutet die Arbeit im Homeoffice für alle, dass sich Termine und Zeit für die Familie besser planen lassen. Und trotzdem – der Hauptanteil der unbezahlten Sorgearbeit (Kinderbetreuung, Haushalt, Pflege Angehöriger etc.) liegt bei den Frauen. Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass sich altbekannte Rollenbilder („die Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um Kinder und Haushalt“) wieder verstärkt haben. Nur weil Frauen im Home Office arbeiten, bedeutet das nicht, dass sie sich verstärkt um die Familie kümmern können und müssen. Obwohl das Arbeiten von zu Hause viele Vorteile mit sich bringt, so kann es vor allem für Frauen auch Einschränkungen bedeuten. Auch im Homeoffice ist der Zugang zu bestimmten karriereförderlichen Maßnahmen erschwert und bedeutet für Frauen immer noch, dass sie mehr Arbeit investieren müssen, als Männer in der gleichen Position.

Aber warum nehmen wir das nicht so wahr? Sind wir gefangen in unserer eigenen Bubble? Folgen wir unbewusst dem Gedanken „das war schon immer so“? Müssen wir uns davon bewusst frei machen und Mut zur Veränderung haben? Wir (Frauen) haben das Gefühl, dass sich einiges getan hat, was durch soziale Medien verstärkt wird. Dort wird von „Women support Women“ gesprochen. Unzählige Netzwerke beschreiben, wie sie die „female community“ stärken und wie man zum „girl boss“ wird. Wir brauchen diese visuelle Unterstützung, um uns daran zu erinnern, was wir erreichen können, wenn Frauen sich gegenseitig helfen. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus und stimmt das mit dem überein, was wir auf Instagram und Co. sehen?

 

Es gibt (leider) große Unterschiede. In vielen Netzwerken sind Frauen vertreten, die alle in einem ähnlichen Alter sind, ähnliche berufliche Erfahrungen gemacht haben und sich aus reinem Interesse zusammenschließen; was prinzipiell auch die Idee eines Netzwerks ist. Sie sind in diesen Netzwerken, weil sie voneinander profitieren. Diese Frauen sind nicht voneinander abhängig und unterstützen sich, weil sie hinter den Ideen der anderen stehen. Das ist ein wesentlicher Vorteil, den sie gegenüber Frauen haben, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Auch wenn wir es eigentlich besser wissen müssten und uns unterstützen sollten, sieht die Realität oft anders aus.

Zu sehr sind vor allem Frauen von äußeren Faktoren abhängig, die sie nicht beeinflussen können, ganz gleich, wie kompetent sie sind. Sind Männer in Führungspositionen und geht es um die Besetzung von eben diesen Stellen, werden in vielen Fällen Menschen eingestellt, die der eigenen Person und Persönlichkeit ähneln; ein weißer Mann mittleren Alters. Diese Darstellung mag stereotyp und klischeehaft klingen, doch Zahlen und Studien belegen leider immer noch das Gegenteil.

Ganz deutlich wird dies, wenn man sich Führungspositionen in großen, börsennotierten Unternehmen anschaut. Das Gleiche trifft auf deren Aufsichtsräte zu. Hier ist der Anteil der Männer um ein Vielfaches höher. Auch wenn es die Diskussion seit Jahren gibt und Unternehmen sich freiwillig verpflichten, dieses Ungleichgewicht zu ändern, passiert das viel zu selten und zu langsam. Die sogenannte „gläserne Decke“ ist nach wie vor sehr dick, weshalb immer wieder eine „Frauen-Quote“ in Führungspositionen diskutiert wird. Die Auseinandersetzung ist heftig, denn es sprechen genauso viele Argumente dafür wie auch dagegen. Die Diskussion sorgt bereits dafür, dass der Zugang für Frauen in die angestrebten Positionen erleichtert wird. Doch für ein nachhaltiges Umdenken reicht das nicht aus (www.allbright-stiftung.de).

 

Ist die Hoffnung verloren, dass sich das jemals ändert? Sicher nicht! Aber wir (alle) müssen uns gemeinsam bewusst machen, dass das Ziel noch lange nicht erreicht ist. Frauen sollten Mentoring Programme verstärkt nutzen und sei es nur, um Kontakte zu knüpfen. Netzwerke helfen in jeder Lebensphase. Unterstützung ist wichtig und wer diesen „Support“ nicht im eigenen Unternehmen mit den Kolleginnen erfährt, sollte sich diese Hilfe woanders suchen. Auch Weiterbildungen, Coachings oder Förderungen der eigenen Kompetenzen sollten ganz oben auf der Agenda stehen. Nur so nehmen wir noch besser wahr, was wir bereits wissen: Wir können viel mehr leisten, als wir uns vorstellen und sind es wert, in allen Facetten und mit allen Kompetenzen wahrgenommen zu werden.

 

Anmerkung: Dieser Blog erhebt keinen Anspruch auf eine abschließende Diskussion dieses komplexen Themas. Der Verfasserin ist bewusst, dass weitere Fragen der Gender und Diversity Diskussion nicht in diesem Text berücksichtigt wurden. Dieser Blog greift aktuelle Themen auf und beabsichtigt die Auseinandersetzung mit der Thematik ohne dabei auf alle Perspektiven eingehen zu können.

Verfasst von:

Dagmar Schulze

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