05.07.2023
PerspektivwechselWas wünschen sich ausländische Fachkräfte von Arbeitgeber:innen aus Deutschland?
Aktuell gibt es 61.600 Arbeitslose in Mecklenburg-Vorpommern. Für viele offene Stellen steht keine passende Fachkraft mit dem nötigen Qualifikationsniveau zur Verfügung. Durch diese Situation und für den Unternehmensfortschritt ist die Integration ausländischer Fachkräfte im eigenen Betrieb eine geeignete Lösung. Der Bedarf sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wird auch dadurch gestützt, dass der Anteil an ausländischer Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern seit 1996 ununterbrochen steigt. In dem Blogbeitrag geht es darum, was ausländische Fachkräfte sich von Arbeitgeber:innen aus Deutschland wünschen und wie die Integration gelingen kann.
Das Zukunftszentrum Mecklenburg-Vorpommern+ (ZMV+) hat das Ziel, Unternehmen zu befähigen, zukunftskritische Bedarfe zu identifizieren und diesen mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen. Welche Themen zukunftskritisch sind, haben wir bereits durch eine Befragung von 678 KMU in Mecklenburg-Vorpommern in Erfahrung gebracht. Den größten Unterstützungsbedarf gaben die Unternehmer: innen bei der Fachkräftegewinnung und -sicherung an (KMU-Befragung).
Aber wie können Unternehmen ihre Leerstellen besetzen? Deutlich wird, dass sowohl ein gezieltes Recruiting sowie die Ausbildung nicht ausreichend sind (siehe Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung: Jahresrückblick 2022 – Fachkräftesituation angespannter denn je, Jurek Tiedemann & Lydia Malin), sodass weitere Möglichkeiten hinzugezogen werden müssen, wie beispielsweise die Integration ausländischer Fachkräfte oder arbeitsuchender Personen.
Aktuell gibt es 61.600 Arbeitslose in Mecklenburg-Vorpommern. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei 7,5 Prozent (Bundesagentur für Arbeit). Je nachdem, welche Expert:innenmeinung man zitiert, wird eine Arbeitslosenquote von 2 bis 4 Prozent als Vollbeschäftigung bezeichnet, da es immer mal dazu kommen kann, dass man, wenn auch nur zeitweise, arbeitslos ist. 7,5 Prozent weicht nicht enorm von diesem Wert ab und kann folglich nicht wirklich als viel bezeichnet werden. Interessant wird es aber, wenn die 7,5 Prozent nun mit den zu besetzenden Stellen verglichen werden. Laut Arbeitsmarktbericht für Mecklenburg-Vorpommern mit Stand Mai 2022 meldeten die gemeinsamen Arbeitgeberserviceteams der Arbeitsagenturen und Jobcenter seit Beginn des Jahres 18.800 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen. Rein quantitativ lassen sich diese Stellen mehr als dreimal aus dem Kreis der Arbeitslosen besetzen, aber dies kann ebenfalls nur in der Theorie und ungeachtet der geforderten Qualifikationen und auch Wünsche der Fachkräfte zutreffen. Einen Beleg dafür liefert die Auswertung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung durch die Gegenüberstellung aller Arbeitssuchenden in Deutschland (einschließlich der An- und Ungelernten) und aller offenen Stellen. Sie zeigt, dass es zwar durchaus einen Fachkräftemangel, aber keinen Arbeitskräftemangel gibt.
Wird sowohl das Qualifikationsniveau als auch die berufliche Passung berücksichtigt, zeigt sich, für wie viele Stellen aktuell keine passende qualifizierte Fachkraft zur Verfügung steht. Im Jahr 2022 sind dies in Gesamtdeutschland immerhin 630.000 Stellen (siehe Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung: Jahresrückblick 2022 – Fachkräftesituation angespannter denn je, Jurek Tiedemann & Lydia Malin). Es kommt allerdings auch hier darauf an, dass die richtigen Personen, mit der richtigen Qualifikation, die richtigen Arbeitgeber: innen finden.
Auf Basis dieser Zahlen, aber auch zum eigenen Unternehmensfortschritt, ist die Integration ausländischer Fachkräfte im eigenen Betrieb eine geeignete Lösung. Der Bedarf, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wird auch dadurch gestützt, dass der Anteil an ausländischer Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern seit 1996 ununterbrochen steigt (aktuell 5,4 Prozent bzw. 87.410 Einwohner: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern) und es zunehmend Einbürgerungen in Mecklenburg-Vorpommern gibt (Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern). Allein 2022 wurden 1.680 Ausländerinnen und Ausländer in M-V eingebürgert und erhielten die deutsche Staatsbürgerschaft. Das entspricht einem Zuwachs von 95,3 Prozent (bzw. 820 Eingebürgerten) im Vergleich zum Vorjahr.
Allerdings gibt es Hürden wie sprachliche Barrieren, die Einhaltung von Formalitäten, rechtliche und bürokratische Hindernisse, Informationsmangel und kulturelle Unterschiede, die eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt erschweren (Fachkräftemigrationsmonitor 2022). Dies könnten die Gründe sein, warum nur jedes zweite durch das ZMV+ befragte Unternehmen angab, sich überhaupt mit der Integration internationaler Fachkräfte zu beschäftigen und 11 Prozent angaben, es überhaupt nicht zu tun (KMU-Befragung). Wir vom ZMV+ sehen darin ein zukunftskritisches Thema mit großem Potential, die Arbeitsmarktsituation zu verbessern. Mit diesem Beitrag möchten wir Ihnen einige Handlungsansätze zur Verbesserung der Arbeits- und Fachkräftemigration vorstellen.
Welche Möglichkeiten gibt es also, die Integration zu fördern? Versuchen Sie die Welt aus der Sicht einer geflüchteten Person zu sehen! Ein neuer Job bedeutet, die Heimat zu verlassen und in ein Land mit einer anderen Kultur, einer anderen Sprache und neuen Regeln zu ziehen. In was für einem Umfeld würden Sie sich gut aufgehoben fühlen? Wenn Unternehmen sich dafür engagieren, dass ausländische Arbeitskräfte gut im Unternehmen aufgenommen werden, spricht man von einer Willkommenskultur. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat dazu einen Leitfaden erstellt, der beschreibt, wie man eine Willkommenskultur im Unternehmen etablieren kann. Im Wesentlichen orientiert er sich an folgenden Schritten:
- Vermittlung und Förderung von Sprachkursen
- Förderung von interkulturellem Austausch im Unternehmen
- Stärkung der interkulturellen Kompetenzen bei der Stammbelegschaft
- Personalrekrutierung – Bewusstseinsbildung und Netzwerke
- Strategien zur gezielten Suche nach ausländischen Fachkräften
- Achtung der kulturellen/religiösen Besonderheiten im beruflichen Alltag
- Mentoring-Programme
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Bereitstellung von Willkommenspaketen/-mappen
Weitere Orientierung bietet der Fachkräftemigrationsmonitor 2022. Hier wird nicht nur empfohlen, Sprachkurse zu fördern, sondern sich als Unternehmen insgesamt besser mit den Bildungs-, Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen zu vernetzen. Zudem wird empfohlen, Vermittlungsstellen zwischen Migrierenden, Unternehmen, Behörden sowie kommunalen und gesellschaftlichen Einrichtungen im Sinne einer umfassenden Willkommenskultur weiter aufzubauen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird dort um einen zusätzlichen Blickwinkel erweitert. Es wird darauf hingewiesen, dass speziell ausländische Frauen zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen und eine gezieltere Ansprache benötigen. Die Betreuung und Pflege ihrer Kinder findet demnach häufig nicht ausreichend Beachtung bei den Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung.
So viel zur Theorie. Aber stimmt das auch mit der Praxis überein? Konkrete Beratung für Unternehmen zur internationalen Fachkräfteeinwanderung im Land bietet u. a. das IQ Netzwerk Mecklenburg-Vorpommern. Genau hier haben wir nachgefragt, was sich eingewanderte Fachkräfte wirklich von deutschen Arbeitgeber:innen wünschen.
Im Wesentlichen geht es also um mehr Verständnis für die persönliche Situation der Eingewanderten und ein gut organisiertes Onboarding bzw. Mentoring. Insofern gibt es durchaus Schnittmengen zwischen den praktischen Erfahrungen und den Empfehlungen aus dem Fachkräftemigrationsmonitor sowie der Willkommenskultur. Obwohl es aber bereits Unterstützung wie durch das IQ Netzwerk für Unternehmen gibt, um ausländische Fachkräfte erfolgreich in die Arbeit zu integrieren, gibt es im internationalen Vergleich noch viel Verbesserungspotential auf diesem Gebiet. Laut einer Befragung der OECD liegt Deutschland nur auf Platz 15 der attraktivsten Länder für hochqualifizierte Fachkräfte. Das ist zwar nicht auf alle Qualifikationslevel zu übertragen und sicher auch nicht auf alle Branchen gleichermaßen, aber mit mehr Engagement bei der Fachkräfteintegration lässt sich die Position sicher noch verbessern. Mehr Engagement in dem Gebiet könnte ohnehin notwendig werden, da die Fachkräftelücke in Zukunft noch größer wird. Bis 2040 wird diese mit etwa 3,9 Mio. Arbeitskräften, davon hauptsächlich mit beruflichem Abschluss, prognostiziert (Prognos AG).
Fazit
Zusammenfassend möchten wir folgendes festhalten: Die Integration ausländischer Arbeitskräfte stellt eine Möglichkeit dar, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Arbeits- und Fachkräftemigration bietet jedoch noch viel Potential zur Weiterentwicklung und stellt damit ein zukunftsrelevantes Thema dar. Um die Potentiale zu erschließen, hilft der Aufbau einer Willkommenskultur im Unternehmen. Eine solche Kultur zu etablieren bedarf allerdings Zeit. Je früher Unternehmen die Voraussetzungen für die Integration ausländischer Arbeitskräfte schaffen, desto eher können mögliche Leerstellen passgenau nachbesetzt werden. Da Sie diesen Artikel gelesen haben, haben Sie bereits einen ersten wichtigen Schritt dazu gemacht. Bei allen weiteren Schritten, verweisen wir Sie gern an die unten aufgeführten Kontakte. Sollten Sie weiteren Vermittlungs- oder Beratungsbedarf haben, teilen Sie uns das auch gern mit. Nur dadurch sind wir in der Lage, relevante Themen in Form von z.B. Weiterbildungsveranstaltungen für Sie vorzubereiten. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass dieser Blog das Ziel verfolgt, aktuelle Themen aufzugreifen und im Kontext zukunftskritischer Themen zur Diskussion anzuregen. Der Beitrag verfolgt daher nicht die Absicht, das Thema der Fachkräftegewinnung und -sicherung mit und ohne Einbindung aller Perspektiven zu betrachten.
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