04.10.2023
Erfolgreiche Kooperation gestalten
Spezialisierung und Arbeitsteilung sind Grundprinzipien unserer funktional differenzierten Gesellschaft und somit auch von Organisationen und der Arbeitswelt. Idealerweise macht jede/r das, was er/sie am besten (und produktivsten) kann und trägt so zum Gesamtergebnis bei. Wenn die zu bewältigenden Herausforderungen über das eigene Wissen, die eigenen Kompetenzen, die eigene Leistungsfähigkeit oder die eigenen Ressourcen hinausgehen, müssen wir kooperieren. In einer sich permanent wandelnden Umwelt ist Kooperation daher längst zum Normalfall geworden. Parallel lohnt sich Kooperation immer dann besonders, wenn es gilt, innovativ zu werden. Dann spricht man oft auch von Kollaboration.
Somit kooperieren wir alle oder haben bereits mindestens einmal kooperiert. Die meisten von uns haben aber sicher bereits auch schon mindestens einmal erlebt, dass Kooperationen keine Selbstläufer sind. Kooperationen tragen grundsätzlich sogar ein hohes Risiko für Konflikte und Scheitern in sich (z.B. wegen der Eigenlogiken der Partner:innen, unterschiedlicher Werte, Kulturen, Standorte, Standards, Ressourcen etc.). Wenn dann beispielsweise auch noch unklare Ziele, mangelhafte Führung, Egoismen, unterschiedlich wahrgenommene Ergebnisbeiträge, Kommunikationslücken, Ressourcenknappheit oder Überraschungen dazu kommen, kann es schnell vorbei sein mit der gelebten Kooperation. Der offizielle Bruch mit einem lauten Knall bleibt meistens zwar aus, aber die Produktivität und die Stimmung leiden mitunter massiv.
(partielle) Kooperation als Normalfall
Je größer die räumliche – und damit oft auch zeitliche – Distanz zwischen den
Kooperationspartner:innen ist (z.B. in einem großen Konzern, in einem Flächenland wie MV
oder über mehrere Länder und Kontinente hinweg), desto eher haben wir es mit
dynamischen, virtuellen, fluiden und Multi-Teams, statt klassischen Teams, zu tun. Soll heißen:
Immer öfter arbeiten wir nicht gleichzeitig am selben Ort an der gemeinsamen Aufgabe,
sondern sind temporäres Mitglied von unterschiedlichen räumlich verteilten Projektteams mit
unterschiedlichen Rahmenbedingungen (Berger, Stefan (2019): Rollenstress in Teams. Aktuelle
Forschung und Lösungen für die Praxis. OrganisationsEntwicklung 4/2019, S. 25 – 30) und müssen
unsere jeweilige Teamrolle jeweils spezifisch anpassen und ggf. schnell wieder in eine andere
Rolle umschalten.
Das hat Vor- und Nachteile: Einerseits bekommen wir weniger davon mit, was im Projekt
passiert und können daher auch weniger direkt darauf reagieren, wodurch auch wichtige
Aushandlungsprozesse zur Etablierung einer gemeinsamen Projektkultur gehemmt werden.
Andererseits kann es auch als entlastend empfunden werden, die Eigenheiten einzelner
Kolleg:innen nur einmal monatlich am Projektmeeting statt täglich erleben zu müssen.
Erfolgsfaktoren für Kooperationen
Damit Kooperationen erfolgreich sind, muss nicht nur intensiv an deren Zielen gearbeitet
werden, sondern auch an der Kooperation selbst. Das ist (für mich) der Kern jeder Regional-
und Organisationsentwicklung, aber auch jeder Politikgestaltung. Und damit gilt dies auch fast
überall: innerhalb eines größeren Unternehmens, zwischen verschiedenen Unternehmen aber
auch mit und zwischen sonstigen Akteuren wie Netzwerken, Verwaltungen, Hochschulen,
Vereinen, Parteien etc.
Stets gilt es, die in einer Kooperation meistens nicht-klassische Hierarchie durch Partizipation
und Steuerungsmechanismen so zu justieren, dass die Partner:innen die Projektziele erreichen,
und idealerweise auch freiwillige Aufgaben übernehmen. Grundsätzlich geht es dabei u.a. um
folgende Punkte:
- ein einheitliches Begriffsverständnis schaffen
- Aufgaben und Ziele schärfen, Strategien anpassen
- Synergien schaffen und sich gegenseitig unterstützen und entlasten
- Konflikte reduzieren, lösen und vermeiden
- Lernen: miteinander und voneinander und neues Wissen generieren und verteilen
- Innovation: neue Ideen entwickeln und sich an verändernde Rahmenbedingungen
anpassen - Netzwerkpflege: neben Vertrauen, Energie und Motivation auch Spaß, Stolz und Freude
- Ergebnisse und Wirkungen sichtbar machen
- Erfolge feiern.
Das übergeordnete Ziel ist es, effektiver und effizienter zusammenzuarbeiten,
veränderungsfähig zu bleiben und ein gutes Arbeitsklima zu schaffen und zu erhalten. Und
auch die angewandte Forschung bestätigt:
- erfolgreiche Kick Offs können die Leistung von Teams um bis zu 30 Prozent steigern
- Empowerment von Teams und Teammitgliedern lohnt sich
- während des Projektverlaufs muss laufend in den Teamzusammenhalt investiert werden
(Berger, Stefan (2019): Rollenstress in Teams. Aktuelle Forschung und Lösungen für die Praxis.
OrganisationsEntwicklung 4/2019, S. 25 – 30).
Wie vieles andere, kann man auch dies lernen.
Ein Beispiel für die Kooperationspflege aus MV
Im Rahmen des Regionalen Zukunftszentrums MV haben wir gemeinsam mit
Projektkoordinatorin Dagmar Schulze vom Gleis 7 e.V. an der guten Kooperationskultur des
Landesprogramms für die Arbeitsmarkt-Integration Geflüchteter gearbeitet. Im Auftrag des
Wirtschaftsministeriums arbeiten 28 Projektmitarbeitende aus insgesamt 14 verschiedenen
Unternehmen und Organisationen in 6 regionalen Teams in 3 verschiedenen Rollen an einer
gemeinsamen Aufgabe. Dazu beraten die Projektmitarbeitenden Geflüchtete und
Unternehmen, matchen diese miteinander und organisieren Integrations- und Sprachkurse
und betreiben Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit.
Unser Ziel war es, eine gute Kooperation im Projektverbund zu erreichen; über verschiedene
Projektpartner, Organisationen, Unternehmenskulturen, Rollen, Regionen, Ansätze,
Kontaktnetzwerke und Arbeitsweisen etc. hinweg. Dazu gestalteten wir im Sommer 2022 – kurz
nach dem Projektstart – einen Kick Off und im Sommer 2023 einen Halbzeitworkshop.
Stand am Start die Einführung in Kooperation, Auftrag, Rollen und die konkrete Ausgestaltung
dieser im Vordergrund, ging es beim zweiten Termin um ein Update zur erfolgreichen und
vertraulichen Zusammenarbeit, um Wirkungsmessung und Zielerfüllung, gegenseitige
Unterstützung und voneinander lernen, Umgang mit Belastungen, neue Ideen und einen
Fahrplan für die restliche Projektlaufzeit. Bereits die Ergebnisse des ersten Workshops wurden
schnell in den Alltag integriert, z.B. rollenbezogene Besprechungsformate, Formate zum
Miteinander lernen, standardisierte Prozessentwürfe für die einzelnen Aufgaben. Beim zweiten
Workshop entstand schnell die Einsicht: „alle haben dieselben Herausforderungen“. Um diese
zu bewältigen wurden u.a. Ideen entwickelt für Betriebsexkursionen, Supervision und kollegiale
Beratung.
Rechtzeitig vor dem Projektende werden wir uns erneut treffen, um Ergebnisse und Learnings
des Projektes auszuwerten. Diese fließen nicht nur in den aktuellen Projektalltag ein, sondern
auch in zukünftige Kooperationsprojekte und leisten somit einen Beitrag zu einer guten
Kooperationskultur in MV.
Das Angebot wurde als „innovatives Qualifizierungskonzept“ des Regionalen Zukunftszentrum
MV+ realisiert und steht dank ESF-Förderung auch anderen KMU aus MV kostenlos zur
Verfügung.