06.09.2021
Zukunftsthemen von KMU im Landkreis Vorpommern-Greifswald
Während es im Tagesgeschäft um morgen, die nächste Woche oder den nächsten Monat geht, so sind es doch eher die Entscheidungen mit langfristigen Auswirkungen, an die man denkt, wenn von der Unternehmenszukunft die Rede ist. Wir haben Unternehmen aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald zu ihrer Zukunft befragt (Details unter STICHPROBE). Alle Informationen darüber, was in der Befragung erhoben und wie es ausgewertet wurde, finden Sie im Whitepaper „Inhalte und Methode der Interviews mit KMU“. In diesem Beitrag wenden wir uns einem Teilaspekt unserer Befragung zu: den Zukunftsthemen der KMU. Die Blickwinkel, mit denen wir uns den Themen zugewendet haben, strukturieren unseren Beitrag:
- Welche Zukunftsthemen beschäftigen die KMU und wie oft kommen diese im Landkreis vor?
- Wie steht es um die Themen zu Personal und Führung ganz konkret, bei denen die Menschen der KMU im Fokus stehen?
- Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Bedeutung der Zukunftsthemen?
- Welche Rolle spielt die Digitalisierung auf dem derzeitigen Weg in die Zukunft?
Zu den Themen der Kategorien Personal, Führung und Digitalisierung gehen wir auf weitere Details wie Branchen- und Größeneffekte oder den aktuellen Bearbeitungsstand der Zukunftsthemen ein. Bei Analysen zu Brancheneffekten sind ausschließlich KMU aus den Branchen Dienstleistungen, Handwerk und Industrie, verarbeitendes Gewerbe in die Analysen eingeflossen, d.h. die Branchen, zu denen wir bisher mindestens fünf Unternehmen befragen konnten.
STICHPROBE
Zwischen Juli und September 2020 nahmen 48 von 144 angefragten KMU aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald an der Befragung teil. Darunter zumeist Kleinunternehmen (10-49 Beschäftigte, 48%), gefolgt von mittleren (50-249 Beschäftigte, 29%) und Kleinstunternehmen (1-9 Beschäftigte, 23%). Befragt wurden vorrangig Geschäftsführer:innen (65%) oder Führungskräfte (13%). Das Diagramm zeigt die Verteilung der KMU auf die Branchen des statistischen Bundesamtes. Knapp ein Drittel (29%) der KMU ist im Dienstleistungssektor zu verorten. Darunter fallen der Einzelhandel oder auch Gesundheitsdienstleistungen. Weitere 20% der befragten KMU kamen aus dem Handwerk. Die übrigen KMU verteilten sich vor allem auf die Branchen Industrie, verarbeitendes Gewerbe, Gastgewerbe, Tourismus sowie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
ZUKUNFTSTHEMEN DER KMU – WELCHE UND WIE VIELE SIND ES?
Für eine erfolgreiche Zukunft widmen sich KMU mehr als nur einem Thema. Durchschnittlich sind es 3,5. Für unsere Analysen der 48 KMU ergaben sich daraus insgesamt 168 Zukunftsthemen, die wir jeweils einer Kategorie zuteilten. Die Kategorien verkörpern zum einen allgemein bekannte Funktionsbereiche von Unternehmen, zum anderen solche, die wir anhand des Materials zusätzlich entwickelt haben (siehe Abbildung 1). Sie vermitteln einen ersten Eindruck, was die Unternehmen beschäftigt. Etwas mehr als die Hälfte aller genannten Zukunftsthemen (55%) fällt in eine von drei Kategorien: Personal, Führung, Gesamtunternehmen. Der prozentuale Anteil dieser Kategorien spiegelt allerdings nur ungenau wider, wie viele der befragten KMU sich mit den dazugehörigen Themen auseinandersetzen. So beschäftigen sich zwei Drittel von ihnen mit mindestens einem Thema aus der Kategorie Personal, und jeweils ein Drittel mit mindestens einem Thema aus den Kategorien Führung und Gesamtunternehmen. Nimmt man Personal und Führung zusammen, so zeigt sich, dass ein großer Anteil (41%) der Zukunftsthemen den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Die Kategorie Gesamtunternehmen umfasst abteilungsübergreifende Zukunftsthemen. Darunter fallen beispielsweise Wachstums- und Investitionsvorhaben, strategische Belange oder auch die Anpassung des Produktportfolios. Die übrigen 45% der Zukunftsthemen verteilen sich auf neun weitere Kategorien (siehe Abbildung 1).
PERSONALTHEMEN IM DETAIL
In der Kategorie Personal finden sich Zukunftsthemen unterschiedlicher Art. Viele von ihnen berührten das Finden, Halten und die Weiterentwicklung von Beschäftigten, aber auch das Erhalten ihrer Arbeitskraft sowie das Ziel, sie in einer sich wandelnden Arbeitswelt mitzunehmen. Zur Strukturierung der Themen haben wir sechs Bereiche definiert (siehe Abbildung 2).
Den größten Anteil nimmt das Finden von Fachkräften und Auszubildenden ein. Nicht dasselbe, aber mit der Fachkräftesuche verwandt, ist der Bereich Altersstruktur. Er umfasst Themen wie Generationswechsel und Verjüngungen der Personalstruktur, die bevorstehen oder derzeit bewältigt werden müssen. Zukunftsthemen mit Bezug zur Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten, ihre Bindung & Zufriedenheit sowie ihre Offenheit für Technologien & Veränderungen machen insgesamt etwa ein Drittel der Zukunftsthemen in der Kategorie Personal aus. Fast jedes vierte Personalthema tritt in vereinzelten Unternehmen auf, so dass wir sie unter weitere Themen zusammengefasst haben. Hierzu zählt unter anderem die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Die meisten Zukunftsthemen mit Personalbezug sind aus Sicht der Unternehmen weder neu noch unbekannt: 60% sind wiederkehrende Vorhaben. Hingegen werden 40% derzeit geplant oder wurden gerade begonnen. Für die Frage, wie häufig Personalthemen bei KMU auftreten, spielt ihre Größe tendenziell keine Rolle, ihre Branchenzugehörigkeit hingegen schon. Ein genauer Blick auf die drei meist vertretenen Branchen unserer Befragung zeigt die Tendenz, dass sie gerade im Handwerk sowie in der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe einen großen Stellenwert einnehmen (jeweils 80% der KMU in diesen Branchen). Bei den Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sich jedes zweite Unternehmen mit einem Personalthema.
FÜHRUNG IM DETAIL
In der Kategorie Führung treten zwei Gruppen von Zukunftsthemen auf: Die Nachfolgesuche und die Qualitätssteigerung der eigenen Führung. Für etwa jedes fünfte KMU ist die Suche nach Nachfolger:innen relevant. Vor allem die Klein- und Kleinstunternehmen, nicht aber die mittleren Unternehmen (insgesamt nur ein Unternehmen), nennen die Suche nach Nachfolger:innen als ein Zukunftsthema. Die meisten KMU (75%) geben an, das Thema befinde sich bereits in Planung. Die Qualitätssteigerung der Führung äußert sich in einer bunten Mischung von Herausforderungen und Zielen. Genannt werden beispielsweise zeitgemäße und gute Führung, Kommunikation, Professionalisierung, Softskills, Vertrauen oder auch die Erarbeitung eines Führungsleitbilds. Die Größe der KMU hat einen Effekt, allerdings entgegengesetzt zur Suche nach Nachfolger:innen: Je größer das Unternehmen, desto eher gehörte es zu seinen Zukunftsthemen, an der Qualität der eigenen Führung zu arbeiten (Mittel: 43%, Klein: 13%, Kleinst: 9%). Anders als für die Personalthemen gibt es für die zur Führung keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den Branchen.
CORONA-EFFEKTE AUF ZUKUNFTSTHEMEN
Es ist unstrittig, dass die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie unseren Blick in die Zukunft nachhaltig prägen. Doch was heißt das konkret für die befragten KMU im Landkreis? 22% der Zukunftsthemen haben auf Grund der Pandemie aus Sicht der KMU an Bedeutung gewonnen. Die Themen, um die es dabei geht, betreffen insbesondere die Kategorien Führung (z. B. Vertrauen, Kommunikation), Produkt & Dienstleistung (z. B. Innovationsbedarfe), Personal (z. B. Mitarbeiterbindung, neue Bewerbungsverfahren), Marketing & Vertrieb (z. B. Kundengewinnung und -bindung) oder sie waren übergreifend für das gesamte Unternehmen relevant (z. B. Anpassung des Geschäftsmodells). Ein coronabedingter Digitalisierungsschub zeigt sich in Einzelfällen (z. B. bei der Einführung von Homeoffice oder der Nutzung digitaler Schnittstellen zum Kunden).
DIGITALISIERUNGSVORHABEN FÜR DIE ZUKUNFT
17% der 168 analysierten Zukunftsthemen haben einen Bezug zu digitalen Technologien. Was versteckt sich hinter dieser Statistik? Zunächst zeigt sich, dass von allen KMU jedes dritte ein digitales Zukunftsthema verfolgt. In der Tendenz gibt es hierbei Unterschiede je nach Branche und Größe (siehe Abbildung 3).
So sind es eher die Dienstleistungsunternehmen (44%) als die KMU aus dem Handwerk (30%) oder der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe (20%), die ein Digitalisierungsvorhaben benennen. Der Anteil an Unternehmen mit digitalem Zukunftsthema ist bei den mittleren fast doppelt so hoch (57%) wie bei den Klein- und Kleinstunternehmen (je ca. 30%). Die Hälfte aller Vorhaben ist entweder in Planung oder wurde gerade erst begonnen.
Zu den Digitalisierungsvorhaben der KMU gehören sowohl ganzheitliche, die das gesamte Unternehmen betreffen, also keiner konkreten Abteilung zugeordnet werden konnten, als auch spezifische Vorhaben. Die ganzheitlichen Vorhaben wurden in der Kategorie Digitalisierung & IT zusammengefasst. Die spezifischen wurden einer Kategorie passend zu der jeweiligen Abteilung des KMU zugeordnet, die vom Digitalisierungsvorhaben direkt betroffen ist. So fällt beispielsweise das Zukunftsthema digitale Personalakte in die Kategorie Verwaltung.
Zu den ganzheitlichen Digitalisierungsvorhaben zählen unter anderem technologische Vorhaben wie eine eigene Serveranlage als digitale Infrastruktur oder die Vernetzung von Filialen, aber auch Vorhaben zur übergeordneten Arbeitsorganisation wie die allgemeine Einführung von Homeoffice. Insgesamt spielen die ganzheitlichen Vorhaben eine untergeordnete Rolle. Das gilt sowohl für ihren geringen Anteil an allen Zukunftsthemen (siehe Abbildung 1), aber auch für ihr Verhältnis zu den spezifischen Vorhaben, die drei Mal häufiger genannt wurden.
Bei den spezifischen Digitalisierungsvorhaben wurden uns fast ausschließlich technologische Vorhaben berichtet, und zwar in den Kategorien Produktionsprozess, Marketing & Vertrieb, Verwaltung und Logistik. Sie umfassten unter anderem die Einführung von Endgeräten und Software oder von modernen und vernetzten Maschinen. Wenn von Digitalisierung in Verbindung mit den Beschäftigten die Rede war, dann entweder als Folgeproblem der Technologieeinführung oder als notwendige Voraussetzung dafür. In beiden Fällen geht es um die Akzeptanz, Offenheit und Lernbereitschaft der Beschäftigten.
SCHLUSSWORT
Offen bleibt, wie die berichteten Ergebnisse zu bewerten sind. Das individuelle Vorwissen und die persönlichen Erwartungen zur Lage der KMU im Landkreis können dazu verleiten, bestimmte Erklärungen als naheliegend zu erachten, obwohl sie durch unsere Datenbasis nicht oder nicht ausreichend gestützt werden. So könnten die Ergebnisse zu den Personalthemen den Eindruck erwecken, es ginge vielen KMU hauptsächlich darum, die personalen Voraussetzungen zu schaffen, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. Die Ergebnisse zu den Digitalisierungsvorhaben könnten Befürchtungen oder Überzeugungen zur Rückständigkeit von KMU in Sachen Digitalisierung bestätigen. Und kombiniert man die Ergebnisse zu Personal und Digitalisierung könnte der Eindruck entstehen, der Weg von KMU in die Zukunft sei derzeit durch existenzielle, kurzfristige und tagesaktuelle Problemstellungen statt durch tiefgreifende digitale Veränderungsprozesse geprägt. Solche oder andere Erklärungen lassen unsere Ergebnisse derzeit nicht zu. Dieser Hinweis ist uns besonders wichtig. Wir brauchen mehr Daten, und wir brauchen mehr Dialog, um die Daten zu verstehen. Daher wollen wir die nächsten Whitepaper auf ein breiteres Fundament stellen, bestehend aus KMU-Daten für das ganze Bundesland. Sie können uns dabei helfen! Indem Sie uns Einblicke in Ihr Unternehmen geben. Und indem Sie sich am Dialog beteiligen, der uns dabei hilft, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Kontaktieren Sie uns gern auf direktem Weg oder nehmen Sie an einem unserer Workshopformate und Veranstaltungen teil (mehr dazu auf www.zukunftszentrum-mv.de).